Variationen über Stehen und bewegtes Stehen

Einleitung

Die Motivation für das Thema entspringt dem Wunsch, Qi-Gong-Praktizierenden und Beginnenden das Stehen im Qi-Gong-Stand näher zu bringen.

Im Rahmen dieses Erfahrungsberichtes beziehe ich meine Lektüre ein, so ist der Weg, den ich gehe. Daher kommen in diesem Text auch eine Reihe aus der Literatur bekannte Dinge vor.

Ich möchte Praktizierende und ev. Angehende Kursleiterinnen anregen, immer wieder einmal etwas länger im Qi-Gongstand zu verweilen, bzw. auf dieser Grundlage das bewegte Stehen+ Stehen bei sich selbst und anderen Übenden einzuführen.

Leute mit orthopädischen oder anders bedingten Fragestellungen oder leichten Schwächezuständen könnten alles auch im Sitzen nachvollziehen.

Länger als ein paar Minuten zu stehen fällt vielen schon im Alltag schwer und wir mögen dies nun nicht auch noch kultivieren.

Ich meine- umgekehrt: es tut weh, weil wir nicht so gut oder nicht genug stehen. Ein leichtes Unbehagen oder gar Schmerz ist sogar Teil der Übung ( siehe Wenzel ).

Es verlässt uns bald. Mir tut beim Sitzen eher mal etwas weh als beim bewegten Stehen.

Für Stehen verwende ich manchmal den Begriff der „Haltung“ (siehe Cohen 1997, S. 159f). Hierzu folgende Überlegung:

Mit Stehen wird in der Regel nicht etwas Wertvolles, Wichtiges verbunden. Es gilt als etwas Alltägliches. Wenn wir jemanden fragen: „wie stehst du dazu …, was hältst du davon …“, so ist oft zunächst an das Verhalten gedacht. Vielleicht auch an Lebenshaltung, Grundhaltung. Nicht an die Körperhaltung. Ganzheitlich betrachtet gehört die Körperhaltung, im Sinne des Qi-Gong-Standes, mit der Lebenshaltung, der Einstellung des Menschen jedoch zusammen.  

Vorweg: Ich stelle mir vor, das eine/ein Übende/r mit der Zeit zunächst 3 Minuten, später ev.10 Minuten im Stehen verweilen könnte.

Nun möchte ich noch das Atmen mit hinzunehmen. Natürlich soll der Atem ruhig fließen. Wenn wir schon etwas geübter sind, können wir doch, so wie ich es durch Anweisungen der Lehrer/innen erfahren habe, den Atem vorsichtig lenken. Manche sagen nein, ich gehöre zu den Vertreterinnen, die gerne das Atmen betonen. (auch hierzu Wenzel, 1999; Liu, 2008; Jiao, 1989)

Am Anfang Stehen

Schon früher habe ich mich mit der durch die Anthroposophie Rudolf Steiners erweiterten Entwicklungspsychologie des Kindes beschäftigt. Die Anthroposophie hier anzubringen, scheint angebracht, da es mit der chinesischen Anschauung durchaus Übereinstimmungen gibt, ohne dass eine oder beide alleinige Gültigkeit in allen Punkten hätten.

Anthroposophen heben hervor, dass der kleine Mensch erst einmal stehen, dann gehen und dann sprechen sollte. Das ist ganz natürlich. Ist dem nicht so, lassen sich manchmal Störungen im Gesamtsystem bemerken. Fast alle kennen wir Schmerzen durch belastete Gelenke, eingeklemmte Wirbel, auch seelische Belastungen vermitteln sich gern über den Rücken, die wir jedoch durch die Körperhaltung - in meinem Fall Tai Ji, Yoga, Schwimmen und eben Qi Gong - abfedern können.

Im Tai Ji und Qi Gong ist elementar, sich erst einmal richtig aufzustellen. Dies lässt sich m.E. auch einem Beginnenden vermitteln. Manch einer kann das nicht gleich oder zu jeder Zeit. Dann kann die Person sich gerne hinsetzen. Viele meiner Betrachtungen über das Stehen und das bewegte Stehen passen auch fürs Sitzen.

Allgemein heißt es ja im Chinesischen : „Stehen wie ein Baum“, „Bewegen wie der Wind“.

Meine 1. Steh-Übung, die ich lernte , heißt „Stehen wie eine Kiefer“ und stammt aus dem Übungssystem von Prof. Jiao Guorui, dem Inspirator der Medizinischen Qi-Gong Gesellschaft in Deutschland. Von Qi-Gong praktizierenden Freunden, die Jiao noch kennenlernten, weiß ich, dass er ihnen berichtete: nachdem er seine Meisterschaft erlangt hatte, sagte ihm sein Meister, nun könne er noch einmal 1 Jahr stehen üben. Sehr eindrucksvoll.

Und doch, es wird leichter, angenehmer.

 

Zum Glück gibt es außer Erfahrungsberichten und dem - ganz schlicht - subjektiv wahrnehmbaren verbesserten Wohlbefinden beim Üben und danach auch bildgebende Methoden der Medizintechnik: das Stehen in der Qi-Gong Haltung senkt den Blutdruck , reguliert Herzrhythmusstörungen, kräftigt die Muskulatur in Beinen und Hüften, stärkt den Gleichgewichtssinn. So etwas passiert nicht von allein oder selbstverständlich. Aus schulmedizinischer Sicht befindet sich meine Aussage in einem vorwissenschaftlichen Stadium, darauf zu antworten würde den Rahmen einer Hausarbeit wie dieser sprengen.

Beim Stehen wie ein Baum habe ich zunächst gelernt, mich mit den Füssen fest in der Erde zu verwurzeln, hoffentlich eine Wiese oder Naturboden. In der Vorstellung Yi - keine riesige uralte Eiche mit verknöchertem Stamm, aber auch keine zarte junge Birke. Eine Buche vielleicht, die Licht von oben durch die Blätter scheinen lässt, wie sie so dasteht - und wenn ich so dastehe, dann könnte es sein, so im Gefühl, dass mich hier niemand wegtragen kann.

Beim Qi-Gong Stehen hat man einen Platz gefunden, an dem man gern in Rube bleiben möchte.

Dies weiß ich durch meine 2. Steh-Erfahrung bei einem wunderbaren Workshop in Österreich. Dort hat eine junge Qi-Gong-Lehrerin und Sportmedizinerin uns stehen lassen und uns in der Zwischenzeit einen kleinen Text vorgelesen, in dem Fall aus dem Buch von Kenneth Cohen und sie hat uns anschließend gefragt, wie lange wir wohl gestanden hätten. Wir staunten alle sehr, als wir hörten -10 Minuten! Dabei ist klar, dass sich jeder ganz frei leicht bewegen konnte, hinsetzen oder legen. Angesichts der wunderschönen Natur in der Umgebung, der Berge, Wälder und Seen meinten wir übereinstimmend, wenn man wandert oder spazieren geht, bleibt man als Qi-Gong Übender beinahe unwillkürlich an einer Stelle vor einem Baum, an einem Bach oder vor dem Anblick der Berge ( oder dem Meer) für ein paar Minuten stehen. Da kann man sich dann im Qi-Gong Stand verwurzeln und in die Weite schauen. Einfach von Kopf bis Fuß in Gedanken die Elemente des Qi-Gong-Standes durchgehen. Hierzu möchte ich die Handreichung von Rainer Jakisch zur Kursleiterausbildung DQGG 2010 anführen. Oder auch die Ausführungen von Bölts, 2007, S.91ff. sowie die von Wenzel, 1999, S.316ff, sind sehr geeignet für Unterrichtsanweisungen oder für einen selbst.

Zhan Zhuang – Stehen wie ein Baum

Es gibt auch eine Variante des Stehens im TaiJi/QiGong aus der Richtung Yiquan. Es ist mir aus Österreich und aus München bekannt und ich habe auch schon 2 Arbeiten darüber gelesen. Im Wesentlichen ist alles so, wie ich Stehen im Qi-Gong verstanden habe und hier beschreibe. Begrüßenswert in meinem Zusammenhang ist, dass mit Zhuan Zhuang in der YiQuan-Schule größeres Gewicht im allgemeinen auf Stehen gelegt wird.

Weiter geht es im Stehen

Ich persönlich begebe mich gern in den Stand, indem ich mich am Anfang etwas bewege: ich beginne mit dem bewegten Stehen sozusagen. Auch dies hatte ich zunächst aus Büchern, in einem Fall auch von einem Autor, mit dem ich vorher schon in China üben durfte. (Mettfessel, 2008, Moegling1988) inzwischen entsteht diese ganz sanfte Bewegung bei mir jedoch intuitiv.

Nach vorne und hinten pendeln - wie im Innern losgehen. Vom Vorfuß, yong juan Niere 1 auf die Ferse, ganz leicht das Gewicht verlagern . Dies kann für den Außenstehenden beinahe unmerklich, unsichtbar geschehen, wenn man z.B. auf einem Bahnhof steht.

Wieder allein auf der Wiese oder zu Hause empfehle ich, die 1. oder 2.der 5 Dan Tian Übungen, wie wir sie von Walter Gutheinz gelernt haben, nur noch kleiner und feiner ausgeführt, eben weil der Hauptaspekt ja auf der Verwurzelung liegen (bzw. stehen) sollte. Für ideal halte ich die 1. Dan Tian-Übung „Öffnen und Schließen“ und dann auch die 2. „horizontale Kreise“, jedoch ganz klein, um sich gleichsam in das Stehen einzupendeln.

Eine andere schöne Variante für das Einsteigen in den Stand sind die Übungsweisen von Prof. Jiao Guorui: sie heißen -wie oben - erwähnt „Stehen wie eine Kiefer“, dann auch „2 Bälle ins Wasser drücken“, „Tragen und Umfassen“ sowie „den Atem regulieren – den Geist beruhigen“. Die ersten 3 sind sogenannte Vorbereitungsübungen, die 4. ist eine Basisübung.

Ich möchte sie an dieser Stelle grob skizzieren, weil sie im Rahmen der Kursleiterausbildung nicht auftauchen, um dann jedoch auf das Schrifttum zu verweisen. Allein was dort unter der Rubrik „Indikationen“ und „Wirkungsweisen“ zu lesen ist, scheint mir sehr beachtenswert. Es reicht von körperlichen Beschwerden über innere Unruhezustände bis hin zum Lenken von Qi betroffener Leitbahnen.  

„Stehen wie eine Kiefer“ gehört zu den sog. Standpahlübungen , heißt auch „Hängende Arme mit Stützkraft nach außen“, was darauf hinweist, dass wir unseren gewohnten Qi-Gong-Stand aufbauen: schulterbreit, Füße parallel, Becken aufgerichtet, Steiß wie an einem Lot nach unten, Scheitel wie an einem Faden nach oben, so dass die Wirbelsäule wie eine Perlenkette baumelt. Jetzt können wir uns vorstellen, wie eine Kiefer auf einem Felsen zu stehen, Becken und Beine bilden den Stamm, Füße die Wurzeln, Arme die Äste. Aufmerksamkeit sinkt zum Dan Tian im Bauchbereich und dahin, die Arme zu leicht zu öffnen und zu schließen und in den Schultern, Ellbogen und Handgelenken Kraftstützpunkte zu haben. Oben leicht – unten schwer!

Ein sanfter Wind weht durch die Kiefer.

Prof. Jiao betont, dass diese sehr wichtige Basisübung mit großer Sorgfalt geübt werden sollte, zunächst in Hinblick auf die äußere Form , die richtige Körperhaltung, das Ausatmen bitte beim Öffnen nach Aussen. Meine Erfahrung ist es, dass man sich schon damit minutenlang beschäftigen kann, es entsteht die erwünschte Einspitzigkeit der Gedanken und man gleitet in die innere Ruhe.

Beim „Bälle ins Wasser drücken“ verharrt man in der oben beschriebenen Haltung und wölbt die Hände mit leicht gespreizten Daumen auf der Höhe unserer Hüfte. Ich stelle mir vor, im Wasser zu stehen. Manchmal stehe ich auch im Nichtschwimmerbecken und drücke zwei imaginäre leichte Kinderbälle ins Wasser, die gleich wieder nach oben treiben.

Beim „Tragen und Umfassen“ bilden die Arme vor dem Oberkörper einen Kreis, als ob man einen großen aufblasbaren Ball tragen würde. Ein bisschen sinken, bevor der Körper mit der Kreisbewegung steigt.

Inzwischen mag ich mich schon einige wenige Minuten im Stehen bzw. dem bewegten Stehen befinden. Qi ist in Bewegung, weil es eben der Vorstellungskraft Yi folgt, ich fühle mich elastisch. Ich möchte es auch denjenigen unter uns empfehlen, die am Anfang Spannung an den verschiedensten Stellen empfinden, im Nackenbereich zum Beispiel. Man kann ja aufhören und ein anderes Mal noch einmal an anderer Stelle stehen, wo vielleicht doch ein Wohlgefühl aufkommt. Es kann zu einer unwahrscheinlichen Erholung führen, wenn man an einer Bushaltestelle, in einer Warte-Schlange, auf dem Bahnsteig, irgendwo ganz abgelenkt von dem Alltagsgeschehen mit seinem Qi-Gong Stand beschäftigt ist.

„Reguliere den Atem – beruhige den Geist“ bedeutet, dass wir die Hände mit den Handflächen nach oben bis auf Brusthöhe heben, drehen und wieder langsam und leicht bis zur Hüfte senken. Heben-einatmen, senken-ausatmen! Ich zähle ganz gerne: 1,2,3,4- ein- 1,2,3,4…ev.5,6 - aus. Auch dies führt bei mir ganz gut zur Einspitzigkeit der Gedanken und ist ein Vorschlag von mir.

Auch bei Liu Yafei heißt es bei der Vorbereitung auf die bewegten Übungen: Die Gedanken sind ruhig, Gefühle sind ausgeglichen…( der Blick ist in die Ferne gerichtet, es entsteht ein kleines Lächeln…). Dabei stehen wir eben nur mit hängenden Armen, das Grundprinzip ist jedoch wieder das gleiche. Manche von uns nennen es auch „erst einmal ankommen“ oder „sich einen Raum schaffen“.

All dies gehört m.E. alles zur schönen Stehübung und es zeigt die besondere Bedeutung, die den Standübungen nicht nur alleinstehend, sondern als Einstieg und Bestandteil einer jeden bewegten Übung zukommt. (dazu auch Cohen S. 160, alle Übungen seien Variationen des Themas Körperhaltung)

Elke Jentschke Baum1

Stehen zwischen Himmel und Erde

Im Grunde ist dieser Gedanke das Kernstück meiner Hausarbeit zum Thema „Stehen“ und führt mich zu der Frage der Meditation im Stehen.

Trotzdem möchte ich nicht allzu ausführlich werden, weil alles schon gesagt und geschrieben wurde, außer den Dingen, die ein Mensch nur selbst erfahren kann und in diesem Sinne möchte ich eher versuchen, mein eigenes Verständnis, meine eigene Übungserfahrung und den Geist, der dahintersteckt, in Worte zu fassen.

Ich empfinde beim Qi-Gong-Stehen einen gewissen kleinen Vorteil gegenüber dem Stillen Qi-Gong im Sitzen als eine Vorstufe zur Meditation sowie auch gegenüber der Sitzhaltung im halben Lotus-oder Fersensitz , wie es in beiden Fällen- auch von mir praktiziert wird.

Den Vorteil erachte ich darin, dass die Leisten und das Becken nicht eingeknickt sind, das Blut leichter zirkuliert und - wie in meinem Fall z.B. von Bedeutung - die Venen weniger eingeklemmt werden.

Auch schließe ich anfänglich nicht die Augen, um einfacher im Gleichgewicht zu bleiben. Dies schlägt auch Prof. Jiao vor. Dadurch schweift der Blick automatisch in die Ferne, selbst wenn man darauf achtet, das der Nacken lang bleibt, das Kinn etwas zur Brust geneigt ist, jedoch man/frau nicht dazu kommt, nach unten zu schauen.

Wenn ich so dastehe:

Die Füße fest am Boden, indem ich anfangs die Zehen einmal kurz in den Boden kralle, dann wieder loslasse und das meiste Gewicht auf die Fersen verlagere, dann auf den ganzen Fuß, indem ich in den Knien und der Hüfte etwas einsinke, das Becken anhebe und an ein am Steißbein hängendes Lot denke, im nächsten Moment meinen Kopf am Himmel an einem Faden aufhänge und mir eine Verbindung von Baihui zum Lebenstor mingmen und Steißbein vorstelle und wieder hin zu den Wurzeln, auch meine Finger bilden feine Wurzeln in die Erde -

Dann ist eines für mich von fundamentaler Bedeutung:

Die daoistische Philosophie, besser gesagt Kosmovision, dass der Mensch ein Verbindungsglied zwischen Himmel und Erde ist, gleichsam wie ein Dachfirst, wie es bzgl. des Begriffes TaiJi auch formuliert wird, der das Dach auf den Fundamenten und Wänden des Hauses erst haltbar macht. Ich finde dieses Bild sehr hilfreich.

Mein eigenes ganz persönliches Bild sei an dieser Stelle auch erwähnt, für diejenigen, die es mögen: Ein Engel - es mag mein Schutz- oder Leitengel sein - sitzt weit oben in mitten einem Wolkenmeer auf einer Wolke und hält an einem Finger einen Faden in einer Schlaufe, der an meinem Scheitelpunkt lose befestigt ist, so dass der Engel mich wie eine Marionette halten oder bewegen kann. Dann spüre ich wieder die Festigkeit in den Füssen und Beinen, will sagen meine Wurzeln in der Erde, und wenn dann für einen Moment lang das Gefühl entsteht, sei es der Anflug eines Gefühls, getragen zu werden von der Erde und gehalten vom Himmel, dann ist dies eine wunderbare Erfahrung. Es mag nur hin und wieder für einen Augenblick auftauchen, doch man kann sich das bewahren und vielleicht auch zu einem anderen Zeitpunkt wachrufen.

Es ist dies als eine spirituelle Erfahrung zu verstehen. Und wenn wir auch betont medizinisches Qi-Gong betreiben, worauf ich auch Wert lege, so ist das Spirituelle doch immer da.

Sicherlich sind wir hier auf die Erde gekommen, um uns zu erden. Ich persönlich möchte mich immer und unbedingt und weiterhin erden. Hierfür ist das Stehen bzw. bewegte Stehen äußerst geeignet, im besten medizinischen Sinne und auf der körperlichen Ebene zum Absinken, Ableiten, länger Ausatmen, langsamer atmen, sich entschleunigen.

Dies bringt auf einer seelisch/geistigen Ebene die unmittelbare Erfahrung der daoistischen Idee des Menschen als Verbindung von Himmel und Erde und der Harmonisierung aller Drei mit sich, so wie es uns schon durch das I Ging vermittelt wurde. (siehe hierzu Wenzel, a.a.O., S. 285)

Für mich ist eine der schönsten Übungsbedingungen, wenn ich draußen auf einer Anhöhe stehen kann auf Augenhöhe mit einem Gegenüber aus der Natur - ein anderer Hügel, eine Kirchturmspitze, Dächer, die Weite des Horizontes… Sonst zu Hause bei offenem Fenster mit dem Blick auf ein schönes Bild im Raum.

Man möge so stehen, dass man ähnlich wie bei der Meditation im Sitzen, irgendwann meint: „Warum gehe ich hier wieder weg?“ Dann bitte einen superlangsamen Schritt zurück in die Alltagswelt tun und entsprechende Abschlussübung.

Zur Vorstellung des Menschen zwischen Himmel und Erde passen für mich auch sehr schön für meine Praxis und so würde ich es auch weitergeben wollen, einige der 24 bewegten Übungen des Neiyang Gong, dem Übungssystem von Liu Yafei, die ich an dieser Stelle großzügig in mein Programm des bewegten Stehens einbeziehen möchte. Jedenfalls sind diese Übungen geeignet, jemanden an das ganz ruhige Stehen heranzuführen, indem die Übung, die ich in der Folge andeutungsweise beschreibe, ausgeführt oder angeleitet wird und die Person dann gebeten wird, die Übung langsam zu beenden, die Arme ruhig hängen zu lassen und in Ruhe stehen zu bleiben. Diese Art des Übergangs habe ich mir von Prof. Jiao aus seinem Buch abgeschaut , wo er die Übergänge der Vorbereitungsübungen gestaltet. Dort steht auch:

                                                            

Bewegung und Ruhe gehören zusammen!

 

Auch Liu Yafei sagt, je mehr bewegte Übungen jede/r macht, desto mehr stille Übungen sollten wir dann auch machen.

Die folgenden zwei Übungen von mir leicht vereinfacht dargestellt stammen aus ihrem Übungssystem.

„Den Himmel drücken - die Erde stützen“

Eine Yin-Hand drückt mit leichter Spannung leicht angewinkeltes Handgelenk zur Erde, die andere Yang-Hand zeigt am lang gemachten Arm über dem Kopf mit der Handfläche nach oben zum Himmel. Auf der Seite, wo die Handfläche, die nach unten zeigt, die Erde drückt, hebt sich die Ferse und Niere 1 yongjuan wird gedrückt.

„Qi sammeln und zum Ursprung führen“

Hier schöpfen wir mit beiden Händen himmlisches Qi über dem Kopf, führen es vor dem Körper entlang des RenMai zum mittleren Dantian vor dem Bauch, heben beide Hände wieder wie eine Schale nach oben und dann diesmal hinunter an den Körperseiten entlang und führen das Qi mit gelösten Händen in die Erde. Von dort gehen beide Arme an den Seiten wieder hoch über den Kopf und die mit Qi angefüllten Hände wieder zum Dantian u.s.w.

Diese Kurzbeschreibungen sind nur als Anregung oder Veranschaulichung des oben gesagten im Rahmen dieser Hausarbeit gemeint, sicher nicht als Anweisung zum Lernen oder Üben, dazu bedarf es unbedingt der Praxis und Betrachtung im Buch. ( Liu, 2008)

Über den Tellerrand schauen

Qi-Gong, TaiJi und Yoga stehen gemeinsam, gleichwertig da und vereinen gleiche Prinzipien: Atmung, Dehnung, Vorstellung.

So gesehen beziehe ich eine zentrale Yogaübung ein, die ich auch früher viel geübt habe und die heißt: „Stehen wie ein Baum“ ( sic!)

Wir stellen uns wie gewohnt, Arme an den Seiten über den Kopf, dort Handflächen sanft aneinander, ruhig ein- und ausatmen, Gedanken an die Fußsohlen lenken und nun einen Fuß heben und bequem an den Knöchel, Wade oder Knie des anderen Beines sanft anlehnen. Wie im Qi-Gong im Becken, Brust aufrichten, Hände bleiben über dem Kopf zusammen und wenn man zu wackeln anfängt, rasch wieder an die verwurzelten Füße denke, um standhaft zu bleiben.

Nun möchte ich noch eine Übung erwähnen, die auch aus dem System von Liu Yafei stammt und prinzipiell sicher nicht als Standübung gilt:

„Das goldene Huhn oder der Hahn steht auf einem Bein“

Mit vor dem Dan Tian gekreuzten Händen hebt man langsam und in sanftem Schwung die Arme mit den Händen lose hängend auf Schulterhöhe und nun aber auch gleichzeitig ein Bein bis zum Becken heben, das Knie anwinkeln und den Fuß lose hängen lassen. Einige Atemzüge ohne zu wackeln. Arme wieder runter vor den Bauch, Bein wechseln.

Dies gibt einem Standkraft, Gleichgewichtssinn und macht Spaß!

Von hier stammt das Motto: „Wer auf einem Bein gut steht, steht und geht auch auf 2 Beinen gut.“

          

Heiter weiter Stehen

Hin und wieder mache ich einen meditativen Spaziergang am Rande von Berlin in einer Dünenlandschaft auf dem alten Mauerstreifen.

Man geht in einer Schneise zwischen Nadel- und Laubwald und auf dem breitem Sandstreifen stehen hie und da Kiefernwäldchen, man kann weit schauen - Sand oder Schnee, Sonne - manche Hundebesitzer machen es mir gleich.

Als ich einmal mein Plätzchen zum Stehen - Verbleiben gefunden hatte, überquerten 2 Menschen mit ihrem Hund voraus die Schneise. Die Besitzer riefen ihn laut zurück. Zwecklos, er blieb in einem gebührenden Abstand vor mir stehen und schlackerte mit seinen langen Ohren. Die Leute näherten sich und einer sagte nett: „Das macht er nur, weil sie so leblos da stehen.“

Augenblicklich ging es mir durch den Kopf: „Ich bin doch nicht leblos! Wenn ihr wüsstet, was sich in meinem Inneren alles bewegt, während ihr mich hier seht …“

Je kleiner die Bewegung außen sichtbar ist, umso mehr Qi bewegen wir im Innern! So habe ich es gelernt.

Wenn so eine Situation auftritt, wie mit dem Hund z.B., unterbreche ich die Übung kurz, mache das „Öffnen+Schließen“, ev. Dantian reiben und mache weiter.

Ich hoffe, dass ich euch mit dieser kleinen Anekdote zum Schmunzeln gebracht habe, welches ihr beim Stehen+bewegten Stehen beibehalten mögt !

Ich danke allen meinen Lehrer/innen und allen Freundinnen, die mit mir üben!

Elke Jentschke BaumMensch2


Verwendete Literatur:

Bölts, J.: Qigong-Heilung mit Energie, 2007

Cohen,K.: Qigong, 1997

Jiao Guorui, Die 15 Ausdrucksformen des Taiji-Qigong, 2005

Liu Yafei, Innen Nährendes Qigong- Neiyanggong, 2008

Metfessel,T.:Qigong, 2008

Moegling, K. Die chinesische Bewegungsmeditation, 1988

Schroeter,H.-W.: Mensch und Engel, 2002

Wenzel Dr.,G., QiGong, 1999

Wilhelm,R.( Hrsg.), I Ging, Das Buch der Wandlungen, 1981

Wilhelm,R./C.C. Jung: Das Geheimnis der Goldenen Blüte, 1998

Periodika:

Beiträge zur Ausgestaltung einer anthroposophischen Psychotherapie, 1998

Lebenshilfen Bd. 2, Verein f. erweitertes Heilwesen ( Hrsg.), 1988

Tiandiren journal, 2009-2011

Unveröffentlichte Manuskripte:

Institut Chen, Qigong Yiquan- Seminare und Ausbildung, 2009

Zhan Zhuang, Abschlußarbeit, Fraede,M., Kursleiter DQGG, 2007

 

 Dank an meine Weggefährtin Elke Jentschke, Yogalehrende u. Künstlerin für die Illustration dieses Textes mit chinesischer Tuschemalerei.

 

Berlin, September 2011

Petra Rohde

Elke Jentschke BaumMensch1